Donnerstag, 5. Februar 2015

Altsächsisch mūlberi 'Maulbeere - ein Ghost-Wort

In dem in den germanischen Sprachen erscheinenden Wort für die Frucht 'Maulbeere' - ahd. mōr(a)-, mūr-, mūl(a)beri, mhd. mōrber, mūlber, nhd. Maulbeere, mndd. mōr-, mūr-, mūlbēre, frühmndl. moerbere, mndl. moerbesie, moerbeye, muulbere, nndl. moerbei, moerbezie, ae. mōrberi, me. mulberī(e), mulbere, molberi(e), -buri, murberien, ne. mulberry, nisl. mórber, ndän. morbær, mulbær, nnorw. morbær, aschwed. morbär- (in morbärträ 'Maulbeerbaum'), nschwed. morbär, mullbär - ist das Erstglied aus lat. mōrum n. 'Maulbeere, Brombeere', mlat. mūrum n. 'ds.' entlehnt.

In mindestens zwei Wörterbüchern wird auch eine altsächsische Entsprechung erwähnt:
1. M. Philippa e.a. (2003-2009) Etymologisch Woordenboek van het Nederlands s.v. moerbei: "Evenzo gevormd zijn (gedeeltelijk met dissimilatie): os. mūlberi ..." (moerbei)
2. OED s.v. mulberry, n. and adj.: "Etymology: Probably < Middle Low German mūlbēre (Old Saxon mūlberi) ... (mulberry).

Dieses altsächsische Wort ist aber nicht gelistet in Heinrich Tiefenbach, Altsächsisches Handwörterbuch, Berlin/New York 2010, S. 281; es fehlt ebenfalls in Ferdinand Holthausen, Altsächsisches Wörterbuch, Münster/Köln 1954, S. 53.
Das angeblich altsächische Wort mūlberi ist somit als ein Ghost-Wort anzusehen (leider kann ich nicht feststellen, aus welcher Vorlage das Etymologisch Woordenboek van het Nederlands und das OED das Wort übernommen haben - vielleicht kann jemand da weiterhelfen).

Jedoch ist lat. mōrum n. 'Maulbeere, Brombeere', mlat. mūrum n. 'ds.' auch im Altsächsischen fortgesetzt, und zwar im Kompositum mōrbōm, mūlbōm m. 'Maulbeerbaum'. Wie die Form mūlbōm mit dem -l- zeigt, ist aber auch für das Altsächsische eine Bildung *mūlberi anzunehmen, da nur in dieser Form -l- aus der Dissimilation r - r > l - r entstanden sein kann. Das -l- wurde dann sekundär auch in andere Komposita verschleppt

Nachtrag: Folgende Auskunft erhielt ich von Guus Kroonen: "EWN heeft hem hoogstwaarschijnlijk uit Gallée, Vorstudien zu einem altniederdeutschen Wörterbuche (1903), p. 220. Die verwijst naar de Parijse Virgiliusglossen 6, 22: mulberin moris, vgl. Schlettstädter Vokabular sanguineis moris roten moriberigin."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen