Sonntag, 26. April 2015

Althochdeutsch mugil 'Wecken, Semmel' - Ein Ghostword

In der Literatur findet sich teilweise folgendes ahd. Wort: mugil 'Semmel', das teils als n. a-St., teils als m. i-St. angesetzt wird (vgl. etwa Splett, Ahd. Wb. 1, 1226; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 797; Starck-Wells 827).
Bei Starck-Wells 827 wird dabei auf Steinmeyer-Sievers, Ahd. Glossen 2, 751, A. 36 verwiesen. Dort findet sich folgendes: "vorher ist am rechten rande eine gl. total verblasst, am linken desgl. eine au<s>radiert, und neben der zeile fasciculum etiā herbę intulit steht lnygll inuitol, was ich nicht verstehe".
Nun sind diese Glossen in einer Art Geheimschrift geschrieben, in der Vokale durch Konsonantenzeichen wiedergegeben werden. Man hat also offenbar die Schreibung lnygll mit ln als Verschreibung für m also stehend für mugil aufgefasst und dieses so hergestellte Wort mit dem im Mhd. belegten Wort mugel 'Brötchen' (vgl. Lexer, Mhd. Wb. 1, 2210) gleichgestellt.

Demgegenüber findet sich im Ahd. Wb. unter mugil keinerlei Hinweis auf dieses Wort, nicht einmal ein Verweis, was nicht sehr benutzerfreundlich erscheint.
Den Beleg lnygll findet sich im Ahd. Wb. 4, 1639 unter dem Lemmaeintrag iuitol: "inuitol (neben lngyll, d.i. inueil) Gl 2,751 Anm. 36 ist in inu,ieol zu korr., vgl. Thies, Sulp. Sev. S. 179,230; s. intfallan, Nachtrag".
Bei Thies, Sulp. Sev. 179 steht folgendes: "lnygll (inueil): 3. Pers. Sing. Ind. Prät. red. V. inuallan 'entfallen'".
Diese Interpretation ist mit der Schreibung lnygll unter Auflösung zu inueil (mit l = i, y = u, g = e übereinstimmend mit den übrigen Glosseneinträgen dieser Handschrift) zu bevorzugen.

Für ein ahd. Wort mugil m./n. 'Wecken, Semmel' entfällt somit jegliche Grundlage. Das Wort ist aus den Wörterbüchern zu streichen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen