Montag, 23. Dezember 2019

Marron Curtis Fort

It is with great sadness that I have learned today that Marron Curtis Fort (born October 24, 1938), expert on Saterland Frisian, has passed away on the 18th of December: Link1; Link2.

Donnerstag, 7. November 2019

A simple solution to the gloss "arbonę ł norie" in Tacitus, Germania 1,2

Since Annibaldi's diplomatic edition (Cesare Annibaldi, La Germania di Cornelio Tacito nel ms. Latino n. 8 della biblioteca del conte G. Balleani in Jesi. Edizione diplomatica. Critica a cura di Cesare Annibaldi, Leipzig 1910, p. 27; cf. already Cesare Annibaldi, L' Agricola e la Germania di Cornelio Tacito nel MS. latino n. 8 della biblioteca del Conte G. Balleani in Iesi. Citta di Castello 1907, p. 155) of the manuscript, generally called E (back then Jesi, Biblioteca del Conte Balleani, MS. Lat. n° 8, now Roma, Biblioteca Nazionale Centrale Vittorio Emanuele II, Ms.Vitt.Em.1631) the gloss to Tacitus' Germania, c. 1,2 Arnobę is unanimously read as arbonę ł norie.

Of these forms, Arnobę is the closest to the rightly supposed original Abnobae (which only occurs as a scholarly form in Ms. h; for the readings of this passage in the manuscripts cf. still Rodney Potter Robinson, The Germania of Tacitus, Middletown, Connecticut 1935, p. 104f.). The mistake traces back "auf Verlesung der zugrunde liegenden Majuskelvorlage" (Rudolf Till, Handschriftliche Untersuchungen zu Tacitus Agricola und Germania, mit einer Photokopie des Codex Aesinas. Berlin-Dahlem 1943, p. 89). The generally accepted explanation of the reading arbonę is the following one: "Dem Korrektor schwebte wahrscheinlich der Ort Arbon bei St. Gallen am Bodensee vor, der als Überfahrtsort der Pilger bekannt war" (Till 1943: 89). For norie, no solution has been found up to now, cf. Till 1943: 89: "Seinen Vorschlag noriae vermag ich nicht zu deuten."

In the last few days I became more and more suspicious of the reading norie, thinking that it should be read as none. I was convinced that the sign that was read until now as ri is indeed the letter n, when I found an exact parallel form in c. 10,1: prohibuerunt. And none would indeed make much more sense because it is the mixed form between Arnobę and arbonę combining the two n-signs. So the gloss seems to be meant to be read as arbonę ł (ar)none. This last form was in my opinion not made up by the medieval corrector but rather seems to date from the 15th century.

But how to proof this assumption? Then it came to my mind that there is one manuscript, that is normally completely neglected, simply because it is just a transcript of E and therefore offers no additional information concerning the text form of Tacitus' Germania (cf. e.g. Jacques Perret, Tacite, La Germanie, Paris 1949, p. 62: "Nous avons négligé T dont Annibaldi ... , et Robinson ... nous semblent avoir démontré qu'il est une copie de E"). This is the manuscript T (Toledo, Biblioteca Capitular 49.2). Luckily there is a collation of this manuscript that was already published in 1903 by Frank Frost Abbott, The Toledo Manuscript of the Germania of Tacitus, with Notes on a Pliny Manuscript (Chicago 1903). Here, on p. 6 the relevant passage is given as: "Arnobe (ał Arbone ał none in margine)". So the person, who wrote the manuscript T by copying it from E, read the norie of modern times as none.

The conclusion therefore is that the gloss in Ms. E should be read as arbonę ł none.

Dienstag, 27. August 2019

Bemerkungen zu urgerm. *skatta-

Eine der vielen germanischen Wörter ohne eine überzeugende und gemeinhin akzeptierte Etymologie ist urgerm. *skatta-. Am urgermanischen Rekonstrukt besteht wegen der Fortsetzer got. skatts m. 'Geld(stück), Mine; ἀργύριον, δηνάριον, μνᾶ', ahd. skaz 'Schatz, Reichtum, Geld(betrag/schatz/stück/summe/truhe), Vermögen, Besitz, Ware, Gewinn, Münze, Denar, Zensus', as. skatt m. 'Besitz, Geld, Münze', andl. skat m. 'Geldsumme, Betrag', afries. sket, skat m./n. 'Schatz, Geld, Besitz, Vieh (bes.) Rind, Wert, Zahlungseinheit', ae. sceatt m. 'Schatz, Geld, Besitz, Reichtum, Münze, Zahlung, Preis, Tribut, Bestechung', und aisl. skattr m. 'Steuer, Abgabe, Schatz' kein Zweifel.

Neben der fehlenden klaren Anbindung sind des Weiteren zwei Punkte problematisch: 1. Wie ist das semantische Verhältnis zwischen 'Geld' und 'Vieh' zu erklären ('Vieh' > 'Geld' in allen germanischen Sprachen, mit erhaltener älteren Bedeutung nur im Altfriesischen oder Entwicklung 'Geld' > 'Vieh' nur im Altfriesischen?); 2. Wie ist das etymologische Verhältnis zur Wortgruppe um aksl. skotъ m. 'Vieh, Geld'.

In der Literatur wird heute gemeinhin und sicher zu Recht angenommen, dass die Wortgruppe im Slawischen aus dem Germanischen entlehnt ist und nicht mehr (wie hauptsächlich in slawistischer Literatur), dass der Entlehnungsweg vom Slawischen ins Germanische führt (zu den Bedenken dagegen vgl. etwa Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 1297; Pronk-Tiethoff 2013: 145f.), oder dass beide Wortgruppen aus einer gemeinsamen Quelle stammen (was bei einer fehlenden etymologischen Anbindung möglich wäre; eine solche ist aber durchaus vorhanden [s.u.]). Wenn also eine Entlehnung aus dem Germanischen ins Slawische vorliegt, zeigen die entlehnten Formen - aksl. skotъ m. 'Vieh, Geld', aruss. skotъ m. 'Vieh, Besitz, Geld, Abgabe', aruss. dial. (Novgorod) skotъ 'Geld', nruss., ukrain. skot m. 'Vieh', poln. (arch., dial.) skot 'Vieh, polnische Münze', atschech. sk(u)ot m. 'Vieh, Herde', tschech., slowak. skot m. 'Hornvieh', serb., kroat. skȍt m. 'Vieh', slowen. skòt m. 'Tierjunges, Gezücht', bulg. skot 'Vieh', osorb. skót m. 'dss.', ndsorb. skot m. 'dss.', polab. st’öt 'dss.' - deutlich, dass beide Bedeutungen im Germanischen, jedenfalls zur Zeit der Entlehnung vorgelegen haben (die Annahme einer parallelen Entwicklung 'Geld' > 'Vieh' im Altfriesischen und Slawischen ist zwar theoretisch denkbar, aber insgesamt deutlich unwahrscheinlicher). Damit ist gleichzeitig auch Punkt 1 geklärt: Die Annahme, dass im Altfriesischen eine Sonderentwicklung von 'Geld' > 'Vieh' vorliegt, ist wegen den Bedeutungsverhältnissen im Slawischen abzulehnen.

Es bleibt somit nur noch die Frage nach der weiteren Etymologie des Wortes.
Weit verbreitet ist die Ansicht, dass das germanische Wort kein Erbwort, sondern eine Entlehnung darstellt. Diese Ansicht wird zumeist damit begründet, dass die Germanen das Geldprägen von den Römern übernommen haben, das Wort somit kein Erbwort ist (vgl. u.a. Casaretto 2004: 68: "weswegen gerade in diesem Bereich mit einem Lehnwort zu rechnen ist"). Diese Argumentation setzt aber zweierlei voraus: 1. Die Bedeutung 'Münze' ist die ältere, aus der sich die Bedeutung 'Vieh' sekundär entwickelt hat; 2. Es handelt sich um eine Entlehung aus dem Lateinischen (wie ahd. munizza < lat. monēta f. 'das gemünzte Geld, die Münze, der Münzstempel, Stempel, das Gepräge').
Dazu lässt sich folgendes bemerken: Erstens ist es unwahrscheinlich, dass die Bedeutung 'Münze' die ältere ist. Dann müsste man nämlich annehmen, dass aus 'Münze' die Bedeutung 'Vieh' entstanden wäre (was theoretisch analogisch zu den Bedeutungen der Wortgruppe von aisl. 'Vieh, Besitz, Geld' möglich wäre), die beide ins Slawische entlehnt wurden; dann aber wäre innerhalb der germanischen Sprachen die Bedeutung 'Vieh' wieder überall bis auf das Altfriesische verlorengegangen; insgesamt ist das ein unglaubwürdiges Szenario. Zweitens müsste dann eine lateinische Vorlage für urgerm. *skatta- auffindbar sein, was nicht der Fall ist. Der Rückgriff auf eine unbekannte Substratsprache als Quelle für urgerm. *skatta- löst das Problem im Übrigen auch nicht, sondern verlagert es lediglich. (Dass die Annahme einer prinzipiellen Entlehnung bei Münzbezeichnungen im Germanischen aber generell ohne Grundlage ist, zeigen schließlich Fälle wie ahd. pfenning '[Silber-]Münze, Denar, Pennig'.)

Für die Frage nach dem Verhältnis zwischen 'Vieh' und 'Geld' in dieser Wortgruppe sei hier als ein Parallelfall auf die Wortgruppe um ahd. fihu n. 'Nutzvieh, Lasttier, Jochtier, Tier, Besitz, Vermögen' verwiesen. Hier hat sich niemand bisher gewundert, dass die gotische Entsprechung faihu ausschließlich 'Geld' bedeutet. Im Gotischen findet sich von der älteren Bedeutung 'Vieh' keine Spur mehr (vgl. auch die Adjektive got. faihufriks und faihugairns, beide 'geldgierig'). Dennoch ist zu Recht niemand auf die Idee gekommen, für diese Wortgruppe eine Entlehnung (aus welcher Sprache auch immer) anzunehmen, da die Germanen das Geldprägen erst von den Römern übernommen haben. Die Entwicklung von 'Vieh' zu 'Geld' in dieser Wortgruppe in den germanischen Sprachen lässt sich vermutlich am einfachsten durch den Kontakt mit den römischen Verhältnissen erklären, da Besitz bei den Römern eben nicht unbedingt 'Viehbesitz' meinte, sondern hauptsächlich 'Geldbesitz'.
Für die Wortgruppe um urgerm. *skatta- kann man eine genau parallele Entwicklung aus älterem (Vieh-)Besitz' zu '(Geld-)Besitz' annehmen. Es lägen in beiden Fällen Wörter mit einer teilweisen Lehnbedeutung nach römischen Verhältnissen vor.

Es fragt sich also nun, ob urgerm. *skatta- nicht (wie urgerm. *feχu-) ein Erbwort sein kann. Das *-tt- ist für die Etymologie kein Hinderungsgrund, da es auf einer Folge *-D-n´- beruhen kann (es ist hier nicht der Ort, auf die Ablehnung der Lex Kluge durch D. Ringe einzugehen). Es wurden im Laufe der Zeit drei Vorschläge gemacht, die hier zur Sprache kommen sollen:

1. Fick 3 (Germ.)⁴ 448f. verbindet urgerm. *skatta- mit der Vorform vorurgerm. *skat-- mit der Wurzel in lat. scatere 'hervorquellen'; die Wurzel ist wohl uridg. *skeHt- oder *sket- 'hervorspringen' (vgl. LIV² 551; de Vaan, Et. dict. of Lat. 543). Diese Anbindung überzeugt schon semantisch nicht.
2.  Kroonen, Et. dict. of Pgm. 441 wandelt diesen Vorschlag ein wenig ab und stellt urgerm. *skatta- als vorurgerm. *skh1dh-- mit nhd. westfäl. schå(e)n st.v. 'Ertrag geben' (Woeste, Wb. d. westf. Mda. 225) zuammen, das er auf vorurgerm. *skéh1dh-e/o- zurückführt. Wie aber das Nebeneinander der Bed. 'Schaden, (Be-)Schädigung, Verlust' und 'Zins' in mhd. schade sw.m., mndd. schāde m. und mndl. schade (m./f.) zeigt (Lexer 2, 625f.; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 3, 368 [schāde¹]; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 4, 36; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 7, 200ff.), liegt im Westfälischen lediglich das Verb 'schaden' in der Sonderbedeutung 'Zins ergeben' vor; das ursprünglich schwache Verb ist wohl erst in Analogie zu anderen starken Verben mit dieser Lautstruktur (vgl. etwa westfäl. bråen st. V. 'braten'; Woeste, Wb. d. westf. Mda. 225) sekundär stark geworden, wie sich auch im Mittelhochdeutschen neben der geläufigen schwachen Konjugation bei diesem Verb ebenfalls starke Formen finden: prät. schied, part.prät. geschaden (vgl. die Angabe bei Lexer 2, 627). F. Holthausen, PBB 11 (1886), 552 wollte zwar die beiden Bedeutungsgruppen ‚Schaden‘ und ‚Zins‘ voneinander trennen und setzte daher jeweils zwei Wörter an (mit Anbindung von westfäl. schå[e]n an lat. scatere), was aber nicht notwendig ist, da die Zwischenbedeutung 'Geldverlust, besonders Vermögensnachteil, der durch Verzinsung einer Schuld erwächst' auch belegt ist.
3. Schließlich hatte Krahe 1969: 1, 115 (ältere Vorschläge sind mir bisher nicht bekannt geworden) urgerm. *skatta- auf vorurgerm. *skod(h2)--, zurückgeführt. Dabei liegt mit Lühr 1988: 190. 303. 311 ein (später) substantiviertes Adjektiv zur Wurzel uridg. *(s)kedh2- 'zersplittern, zerstreuen' vor (zu den verbalen Fortsetzern dieser Wurzel vgl. LIV² 550). Diese etymologische Anbindung scheint semantisch am besten geeignet die germanischen Bedeutungen zu erklären. In dem Fall muss man eine semantische Entwicklung von 'abgeteilt' über 'der (bei Vererbung?) abgeteilte (bewegliche) Besitz' = '(Vieh-)besitz' zu (unter römischem Einfluss) '(Geld-)Besitz', 'Geld, Schatz' annehmen. Lediglich in den slawischen Entlehnungen sowie im Altfriesischen wäre die ältere Bedeutung bewahrt.

Dienstag, 14. Mai 2019

The spearhead of Rozwadów

I recently came across an article by Piotr Garbacz with the title "Runic Inscription on the Spearhead of Rozwadów (KJ 35): ik eruls or ik erlas?" (you can read it here; he has apparently two publications, which deal with this topic:  –]krlus Jak rozumieć napis na grocie rozwadowskiej włóczni?, in: Anna Garbacz (red.),  Z przeszłości miasta Rozwadowa.  Muzeum Regionalne w Stalowej Woli 2015, 73-79 and Inskrypcja na grocie rozwadowskiej włóczni (KJ35): ik eruls czy ik erlas?, LingVaria 21 [2016], 13-20).

He states that both 'readings' - ik eruls and ik erlas - are possible, although ik erlas seems a bit more likely. When, however, ik eruls is read, "[t]his reading would then be the only Germanic attestation of the continuant of Proto-Germanic *erulaz, found to date only in Greek and Latin sources (Lat. Eruli with variants ...)". He ascribes the form PGmc. *erulaz to a suffix variant next to PGmc. *erlaz and PGmc. *erilaz.

This, however, is incorrect. As was shown by Norbert Wagner (Zur Etymologie von Hermun-duri, BNF 43 [2008], 407-410), the -u- in the name of the Eruli is due to an inner-Latin insertion (Vokaleinschub) between -r- and -l-; the Lat.-Gmc. name of the Eruli thus also reflects PGmc. *erlaz. The only suffix variants are therefore PGmc. *erlaz (continued e.g. in Lat.-Gmc. Eruli, OIcl. jarl) and PGmc. *erilaz (continued in Run. erilaz/irilaz). Now, a Germanic speaker would not insert this Latin -u-, so eruls is not to be expected.
More likely would indeed be (e/i)k erlas < PGmc. *erlaz, which would be interesting, because it would show a form with preserved -a-. For the dating of the syncope this is unfortunately not really helpful because the object has to be dated somewhere between 1-375/400 AD (cf. Lisbeth Imer, Jernalderens Runeindskrifter i Norden - Katalog 2015, 218). However, this (as any) reading and interpretation is far from secured (cf. e.g. Robert Nedoma, Schrift und Sprache in den ostgermanischen Runeninschriften, NOWELE 58/59 [2010], 21f.); it remains even unclear, if the inscription contains runic characters at all (so on this blog). So it seems the best not to deduce anything on the basis of this inscription.