Montag, 14. September 2015

As. oli - ein Ghostword?

Über mehrere vulgärlat. Formen gehen in den germ. Sprachen letztendlich auf lat. oleum n. 'Öl, Baumöl' zurück: ahd. oli, olei n. a-St., mhd. öle, ole, oli, olei st.n., nhd. Öl, mndd. ȫlie, ol(i)ge, ȫlī, olij, ollich, ȫley, oyley, olee, (seltener) ȫl, oel m., seltener n., andl. olig, oley n., frühmndl. olie, holie, olei, olej, (mit proklitischem Artikel) dolie, olye f., mndl. olie, oly, oely, olei, nndl. olie, afries. olie, oli n., ele n.(?) nwestfries. oalje, saterfries. oulje f., ae. ele m., n. (dagegen aus afrz. oile entlehnt: me. oil[e], oille, oiel, ho[i]le, oili, uile, [h]ule, [h]uli, oel[le], ol[e], eoil[l]e, eoli[e], h[e]oli, olige, ne. oil).
Wohl aus dem Mndd. stammen die nordgerm. Formen aisl. olea, olia f., nisl. olía, fär. olja, adän. oliæ, olgh, älteres ndän. oli, oliæ, ndän. olie, nnorw. olje, aschwed. olia, olea, nschwed. olja.
Nicht gesichert ist die Entlehnungssprache bei got. alew* n.

Nun erscheint in den meisten etymologischen Wörterbüchern (vgl. u.a. Kluge-Seebold, Etmologisches Wörterbuch der deutschen Sprache s.v. Öl; Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen s.v. Öl [vgl. Pfeifer online]; für die etymologischen Wörterbüchern des Niederländischen vgl. hier; eOED s.v. oil n.1; Svenska Akademiens Ordbok s.v. olja; Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache s.v. alew; Lehmann, Gothic Etymological Dictionary s.v. alew) ebenfalls eine altsächsische Entsprechung, die als oli (teils auch als olig) angegeben wird.

Das Wort erscheint nun aber weder in Tiefenbach, Altsäschisches Handwörterbuch, in Sehrt, Vollständiges Wörterbuch zum Heliand und zur altsächsischen Genesis, noch in Wadstein, Kleinere altsächsische Sprachdenkmäler. Aufgeführt ist oli lediglich in Gallée, Vorstudien zu einem altniederdeutschen Wörterbuche, 236 samt den Komposita oli-beri 'Olive' und oli-budin 'Ölkufe'; sämtliche Belege stammen aus der Handschrift Paris, Bibliothèque Nationale Lat. 9344, die - nach den Informationen bei Bergmann-Stricker, Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften Nr. 752 - in der Tat sprachlich unterschiedlich eingeordnet wird, von u.a. R. Bergmann als mittelfränkisch, von J.H. Gallée aber als durchsetzt mit einzelnen niederdeutschen Wörter und von G. Cordes als altsächsisch gemischt mit hochdeutsch.

Die Chance, dass es sich bei diesen Wörtern somit um altsächsisches Sprachmaterial handelt, ist somit zwar vermutlich nicht ganz auszuschließen, aber insgesamt dann doch nur sehr klein. Es ist daher wohl sicherer, as oli aus den etymologischen Wörterbüchern zu streichen.

Samstag, 12. September 2015

olmo, ein übliches Problem

Im Cod. Guelf. 50 Weissenburg (860/870, südrheinfrk.; H. Butzmann, PBB 86 [Halle, 1964], 396) ist ein Wort olmo bezeugt, das lat. glis glossiert. Als Bedeutung des Wortes ist somit 'faules Holz, morsches Holz' anzusetzen (es hat Entsprechungen in nhd. Dialekten). Nun gibt es noch einen zweiten Beleg für dieses Wort, und zwar in Gl. 4,202,67 (1. Drittel 11. Jh.s), dort geschrieben als holmo. Üblicherweise wird auch dieser Beleg dem Althochdeutschen zugeschlagen (vgl. u.a. Köbler, Wörterbuch der althochdeutschen Sprache, 845; Starck-Wells, Althochdeutsches Glossenwörterbuch, 451; Schützeichel, Althochdeutscher und Altsächsischer Glossenwortschatz, 7, 198).
Die Handschrift, aus der dieser Beleg stammt ist Trier, Bibliothek des Priesterseminars Hs 61 (früher R. III. 13). Wie aus der Beschreibung in Bergmann-Stricker, Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften, Nr. 877, hervorgeht, werden die Glossen dieser Handschrift üblicherweise dem Mittelfränkischen ("nach G. Baesecke, S. 257; R. Bergmann, S. 163; R. Bruch, S. 54f.; G. Ehrismann, S. 260; H. Frings, S. 3; Th. Frings, PBB. 63, S. 111; Th. Frings, Germania Romana, S. 14; E. Gutmacher, S. 270 Anm. 2; P. Katara, S. 75; R. Kögel, S. 594; g. Müller, PBB. 79, S. 312; G. Müller, PBB. 82, S. 153; G. Müller – Th. Frings, S. 109; G. Reutercrona, S. 14; R. Schützeichel, S. 25; F. Simmler, S. 38") bzw. dem Mittelfänkischen-Rheinfränkischen ("nach H. Thoma, S. 584") zugeordnet. Aus diesem Grund erscheint der Beleg ohne weiteren Kommentar in Wörterbüchern zum Althochdeutschen.
Deutlich seltener findet sich dagegen die Einordnung der Glossen als Niederdeutsch ("nach J.H. Gallée, Vorstudien, S. XXIII") bzw. als mit einer niederdeutschen Vorlage ("nach W. Foerste, S. 41") oder auch als teilweise niederdeutsch mit zahlreichen mittelfränkischen Formen ("nach G. Cordes, S. 21").
Nun wird dieser Beleg jetzt bei Tiefenbach, Altsächsisches Handwörterbuch, 297 ohne weiteren Kommentar aufgelistet (wobei die abweichende Übersetzung sicherlich lediglich ein Versehen ist):

"OLMO m-n Ulmenholz 0 elm wood
• ns holmo GLTRSEM VIII,53
glis (lignum quod in tenebris uiui carbonis
speciem tenet) GLTRSEM".

Ein Benutzer, der sich dessen nicht bewusst ist bzw. sich die Belegstellen nicht genauer anschaut, könnte somit leicht zu fehlerhaften Schlussfolgerungen kommen. Es wäre wünschenswert, wenn in solchen Fällen, in denen die Handschrift von seiner sprachlichen Einordnung her nicht eindeutig ist, die Einordnungsschwierigkeit bei einem Eintrag (wenn keine lautlichen Entscheidungskriterien vorhanden sind), explizit benannt würde, etwa durch ein (in einem althochdeutschen Wörterbuch) "ahd. (as.?)" oder (in einem altsächsischen Wörterbuch) "as. (ahd.?)". So wäre ein Benutzer direkt gewarnt.