Donnerstag, 26. Februar 2015

Altsächsisch mos 'Moos' - nur indirekt belegt

Bei J.H. Gallée in den Vorstudien zu einem altniederdeutschen Wörterbuche (Unveränd. Neudruck der Ausgabe von 1903. Walluf [u.a.], 1977) findet sich auf S. 219 folgender Eintrag: "mos, st. m. moos; moss; mnd. mos; nom. sg. Königsb. gl. 72 mos muscus".

Von hier hat das Wort es in die weitere Literatur geschafft, vgl. u.a.  M. Philippa e.a. (2003-2009) Etymologisch Woordenboek van het Nederlands (s.v. mos1) und OED (Third Edition, December 2002 s.v. moss n.1).

Jetzt wird jedoch angenommen, dass die von Gallée angeführte Handschrift mit dem Beleg 'mos muscus' "am Ende des 14. Jahrhunderts eingetragen" ist und sprachgeographisch als "Mittelniederdeutsch" zu bestimmen ist (vgl. Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften. Bearbeitet von R. Bergmann und St. Stricker unter Mitarbeit von Y. Goldammer und Cl. Wich-Reif. Bd. 1–6. Berlin, New York, 2005, Nr. 1065).

Im Altsächsischen ist das Wort mos 'Moos' also nicht belegt  Dass es natürlich auch im Altsächsischen vorhanden gewesen ist, zeigt indes die Ableitung (gi)mussian, die in einem einzigen Beleg (nom.pl.n. sw. part.prät.) gímúsídvn zur Übersetzung von lat. musci in den Prudentiusglossen Düsseldorf F 1 bezeugt ist (der Beleg lässt eine sichere Entscheidung zwischen mussian und gimussian nicht zu; unterschiedliche Ansätze etwa bei E. Wadstein, Kleinere altsächsische Sprachdenkmäler mit Anmerkungen und Glossar. Norden und Leipzig, 1899, S. 185 und H. Tiefenbach, Altsächsisches Handwörterbuch. Berlin/New York 2010, S. 283). Es handelt sich dabei um ein denominales Verb von urgerm. *musa- 'Moos'.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Arbeitsgespräch

Wie immer etwas versteckt und für Nicht-Eingeweihte schwierig zu finden: Das Arbeitsgespräch zur historischen Lexikographie findet in diesem Jahr vom 10. bis 12. April statt. Es handelt sich um eine öffentliche Tagung ist und Anmeldungen sind auch ohne Einladung willkommen. Das Arbeitsgespräch findet in der Jugendbildungsstätte auf der Marienburg bei Bullay an der Mosel statt. Weitere Informationen findet man hier.

Mittwoch, 11. Februar 2015

Docent Historische Taalkunde

In Leiden wird ein "Docent Historische Taalkunde van het Nederlands" gesucht. Die Anstellung ist auf drei Jahre begrenzt. Weitere Informationen und zur Online-Bewerbung geht es hier.

Donnerstag, 5. Februar 2015

Altsächsisch mūlberi 'Maulbeere - ein Ghost-Wort

In dem in den germanischen Sprachen erscheinenden Wort für die Frucht 'Maulbeere' - ahd. mōr(a)-, mūr-, mūl(a)beri, mhd. mōrber, mūlber, nhd. Maulbeere, mndd. mōr-, mūr-, mūlbēre, frühmndl. moerbere, mndl. moerbesie, moerbeye, muulbere, nndl. moerbei, moerbezie, ae. mōrberi, me. mulberī(e), mulbere, molberi(e), -buri, murberien, ne. mulberry, nisl. mórber, ndän. morbær, mulbær, nnorw. morbær, aschwed. morbär- (in morbärträ 'Maulbeerbaum'), nschwed. morbär, mullbär - ist das Erstglied aus lat. mōrum n. 'Maulbeere, Brombeere', mlat. mūrum n. 'ds.' entlehnt.

In mindestens zwei Wörterbüchern wird auch eine altsächsische Entsprechung erwähnt:
1. M. Philippa e.a. (2003-2009) Etymologisch Woordenboek van het Nederlands s.v. moerbei: "Evenzo gevormd zijn (gedeeltelijk met dissimilatie): os. mūlberi ..." (moerbei)
2. OED s.v. mulberry, n. and adj.: "Etymology: Probably < Middle Low German mūlbēre (Old Saxon mūlberi) ... (mulberry).

Dieses altsächsische Wort ist aber nicht gelistet in Heinrich Tiefenbach, Altsächsisches Handwörterbuch, Berlin/New York 2010, S. 281; es fehlt ebenfalls in Ferdinand Holthausen, Altsächsisches Wörterbuch, Münster/Köln 1954, S. 53.
Das angeblich altsächische Wort mūlberi ist somit als ein Ghost-Wort anzusehen (leider kann ich nicht feststellen, aus welcher Vorlage das Etymologisch Woordenboek van het Nederlands und das OED das Wort übernommen haben - vielleicht kann jemand da weiterhelfen).

Jedoch ist lat. mōrum n. 'Maulbeere, Brombeere', mlat. mūrum n. 'ds.' auch im Altsächsischen fortgesetzt, und zwar im Kompositum mōrbōm, mūlbōm m. 'Maulbeerbaum'. Wie die Form mūlbōm mit dem -l- zeigt, ist aber auch für das Altsächsische eine Bildung *mūlberi anzunehmen, da nur in dieser Form -l- aus der Dissimilation r - r > l - r entstanden sein kann. Das -l- wurde dann sekundär auch in andere Komposita verschleppt

Nachtrag: Folgende Auskunft erhielt ich von Guus Kroonen: "EWN heeft hem hoogstwaarschijnlijk uit Gallée, Vorstudien zu einem altniederdeutschen Wörterbuche (1903), p. 220. Die verwijst naar de Parijse Virgiliusglossen 6, 22: mulberin moris, vgl. Schlettstädter Vokabular sanguineis moris roten moriberigin."