Donnerstag, 17. Dezember 2020

Handbuch der norrönen Philologie, Band 1, Open Access

Eine Publikation als Open Access ist immer ein freudiges Ereignis. Um so mehr, wenn es sich dabei um ein so wichtiges Standardwerk handelt. Seit heute ist Band I des Handbuch der norrönen Philologie, herausgegeben von Odd Einar Haugen und übersetzt von Astrid van Nahl, 2020 erschienen im Novus Verlag (Oslo) als PDF hier downloadbar. Neben der Einleitung (Odd Einar Haugen) umfasst der Band sechs Kapitel zu Handschriften- und Archivkunde (Jon Gunnar Jørgensen), Textkritik und Textphilologie (Odd Einar Haugen), Urkunden, Gesetze, Landbücher (Jon Gunnar Jørgensen), Gelehrte Literatur (Jonas Wellendorf), Edda und Skaldendichtung (Else Mundal) und Sagaliteratur (Else Mundal).

Band II soll 2021 erscheinen.

Viel Freude bei der Lektüre!

Freitag, 11. Dezember 2020

Grimm, Deutsches Wörterbuch

Die Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuches von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (²DWB) ist jetzt auch online abrufbar, und zwar über die Website des DWDS (jetzt schon) und auch über das Wörterbuchnetz (wohl erst in Kürze). Neu bearbeitet wurden die ältesten Teile des Wörterbuchs, nämlich die Buchstaben A–F, mit ca. 60 000 Stichwörtern in ca. 32 000 Artikeln.

Das erleichtert nicht nur die Forschung sondern macht auch die Forschungsresultate der Allgemeinheit zugänglich.

Abrogans-Fragment aus dem Stift Admont

Das Abrogans-Fragment aus dem Stift Admont ist leider immer noch nicht offiziell ediert. Die schon längst geplante Ausgabe hat sich immer wieder verzögert; jetzt ist sie für 2021 bei De Gruyter angekündigt: Haubrichs, Wolfgang, Stephan Müller. Der Admonter Abrogans. Edition und Untersuchungen des Glossarfragments der Stiftsbibliothek Admont (Fragm. D1).

Da es somit noch etwas auf sich warten lässt, habe ich meine eigene, vorläufige Transkription wieder online gestellt (hier).

Die besten bisherigen Fotografien der Fragmente sind auf den Seiten 66–67 im Ausstellungskatalog Von Abrogans und Nibelungen. Sensationsfunde deutscher Literatur in Österreichs Kloster. Sonderausstellung in der Stiftsbibliothek Admont vom 25. März bis 15. November 2018 abgedruckt (nach wie vor erhältlich, auch sonst sehr empfehlenswert). Sonstige gute bis sehr gute Abbildungen finden sich auch online, etwa von Blatt 1r (sehr gute Qualität), Blatt 1v (äußerst gute Qualität), Blatt 2r (gute Qualität) oder von allen Blättern (in einer PDF; recht gute Qualität).

Mittwoch, 9. Dezember 2020

Zur Etymologie von ahd. man 'Mensch, Mann'

Ahd. man m. 'Mensch, (Ehe-)Mann, Diener, Bediensteter, Soldat, Krieger, Gefolgsmann, Held, tapfere, mächtige Person' hat in sämtlichen altgermanischen Sprachen eine Entsprechung: as. mann (Kompositionsform man-) m. 'Mensch, Mann, Gefolgsmann, Ehemann', andl. man m. 'Mensch, Person, Mann', afries. mon, man (-nn-) m. 'Mann, Mensch, Ehemann, Dienstmann, Untergebener', ae. mann, man, monn, manna, monna m. 'Mensch, Mann, Held, Diener', run. (nom.sg.) mąR, (nom.pl.) manR (Stein von Eggja, um 700) m. 'Mann, Mensch', aisl. maðr, mann, mannr m. 'dss.', run.-schwed. mantr m. 'dss.', aschwed. maþer, man, mander m. 'dss.', got. manna (Kompositionsform man[a]-) m. 'Mensch', langob. man m. 'Mensch' (in harimannus m. 'Heermann, Krieger', waldeman m. 'Waldaufseher', [BeiN] Castelmanno 'Burgwart, Burgbewohner'), (in PN) Man(n)-, -man(n)-. Älter ist die Erwähnung in Tacitus, Germania 2,2: lat.-germ. Mannus (der Stammvater einiger germanischen Völker) und das Vorkommen als Bestandteil von VN und PN: Mann-, -mann-.

Etymologisch gehören die Wörter zu ai. mánu- m. 'Mensch, Menschheit, Manu, Stammvater der Menschen', ai. mánuṣ- 'Mensch, Stammvater der Menschen', jav. manuš- (in manuš.čiθra- 'Nachkomme eines Stammvaters *Manuš'), vielleicht, aber unsicher, auch aksl. mǫžь m. 'Mensch', für das es aber auch eine alternative Etymologie gibt (zu alb. mëz 'Fohlen, Füllen').

Die Stammbildung der germanischen und indo-iranischen Formen ist dabei nicht deckungsgleich. Die germanischen Formen setzen (unter einigen Umbildungen) einen uridg. n-St. nom.sg. *mon-ḗn, gen.sg. *mon-n-és, die indo-iranischen Formen einen uridg. u-St. uridg. nom.sg. *món-u-s, gen.sg. *mén-u-s fort.

Für die Etymologie dieser Wörter gibt es in der Literatur drei Vorschläge:

1. Ableitung zu uridg. *men- 'einen Gedanken fassen'; der Mensch wäre dann im Gegensatz zum Tier charakterisiert.

2. Ableitung zu uridg. *men- 'emporragen'; der Mensch wäre dabei nach seinem aufrechten Gang charakterisiert.

3. Die germanischen Wörter sind von den indo-iranischen Formen zu trennen und gehören zu uridg. *dhĝhm-on- 'Irdischer, auf der Erde befindlicher' (das in ahd. gomo m. 'Mensch, Mann' fortgesetzt ist; vgl. noch nhd. -gam in Bräutigam); die germanischen Wörter wären durch Paradigmenspaltung aufgekommen.

Während die dritte Etymologie sowohl aus lautlichen Gründen wie wegen der dabei notwendigen Trennung der germanischen und indo-iranischen Wörter (vornehmlich auch von lat.-germ. Mannus und jav. manuš- [in manuš.čiθra- 'Nachkomme eines Stammvaters *Manuš'], die funktional übereinstimmen) abgelehnt werden muss, scheint eine Entscheidung zwischen der ersten und zweiten Etymologie ohne weitere Evidenz nicht möglich (zu allem bisherigen vgl. die Angaben im Etymologischen Wörterbuch des Althochdeutschen 6, 84-88).

Eine solche neue Evidenz ist nun aber aufgetaucht, und zwar durch die Arbeit im hervorragenden Projekt eDiAna: Digital Philological-Etymological Dictionary of the Minor Ancient Anatolian Corpus Languages. Dort zeigen Elisabeth Rieken, David Sasseville und Andreas Opfermann, dass auch das luwische Wort mannu- 'the fertile, potent, manly condition' zu dieser Wortgruppe mit dazugehört. Dies lässt dann lediglich den Rückschluss zu, dass die gesamte Wortgruppe zu uridg. *men- 'emporragen' gehört (für sämtliche Details zu Etymologie, Wortbildung und Semantik s.d.).

Der alte Streit über Etymologie des Wortes Mann kann somit wohl (?) für beendet erklärt werden.

Montag, 7. Dezember 2020

Althochdeutsch secchimgom

In den althochdeutschen Glossen ist Gl. 4,220,21 ein Hapax legomenon secchimgom überliefert, das lat. grabbatis übersetzt. Damit ist klar, dass der althochdeutsche Beleg ein Dativ Singular ist. Die Handschrift, in der der Beleg steht, ist heute verloren; sie wird Anfang des 9. Jh. datiert. Die Glossen selbst sind nur durch eine Abschrift durch Koloman Sanftl im dritten Band auf Seite 1805 seines Catalogus veterum codicum manuscriptorum ad S. Emmeram erhalten.

Die Bedeutung des althochdeutschen Wortes ist klar. Lat. grabatus m. dient nämlich zur Bezeichnung eines niedrigen Ruhebetts für Kranke.

Jedoch ist die überlieferte Form secchimgom nicht weiter anschließbar. Bereits in Anmerkung 4 zu Gl. 4,220,21 hatten Steinmeyer & Sievers zwei Emendationen vorgeschlagen: "verderbtes wort, etwa seochtragom? formell näher läge scechungom, von scecho 'stragulum' gebildet".

Von den beiden Vorschlägen hat es lediglich "scechungom" in die Wörterbücher geschafft. Ein Ansatz sceckunga f. findet sich bei Splett, Ahd. Wb. 1, 837 (sceckunga), Köbler, Ahd. Wb. s.v. skekkunga, Schützeichel, Ahd. Wb. 287 (sceckunga), Schützeichel, Glossenwortschatz 8, 305 (sceckunga) und Seebold, ChWdW9 742 (sceckunga).

Der Alternativvorschlag "seochtragom" wurde offenbar nur von Riecke, Frühgeschichte ma. med. Fachsprache 2, 587 aufgenommen.

Daneben ist in einigen Wörterbüchern ein abweichender Ansatz siohhunga f. vorhanden, vgl. Köbler, Ahd. Wb. s.v. siohhunga (somit dort als Alternative zu skekkunga) und Starck & Wells 527 (siohhunga).

Nun sind aber die beiden Ansätze sceckunga und siohhunga von der Suffixform -unga her semantisch nicht möglich. Denn die feminine Form dieses Suffixes dient (neben ganz vereinzelte Motionsfeminina) ausschließlich zur Bildung von Abstrakta (vgl. Krahe & Meid, Germ. Sprachw. 3, § 152), nicht von Konkreta (vgl. etwa auch mhd. siechunge st.f. 'Kranksein, Hinsiechen'). Die Ansätze sceckunga und siohhunga sind daher aus den Wörterbüchern zu streichen.

Denkbar ist dagegen ein Ansatz als m. a-St., somit eine Bildung mit dem Suffix -ung. Vielleicht hat man gemeint, dass die Endung dat.pl. -om der Überlieferung dagegen spricht. Das ist allerdings nicht der Fall. Diese Endung ist zwar seltener als andere Endungsvarianten, aber dennoch durchaus belegt, wie aus den Angaben bei Braune & Heidermanns, Ahd. Gramm. § 193 Anm. 7 hervorgeht. Im Falle eines Ansatzes sceckung m. a-St. würde das Suffix zur Bildung erweiterter Sachbezeichnungen dienen; Ableitungsbasis wäre ahd. scecko m. n-St. 'Mantel, Überwurf', wohl aus einer älteren Bedeutung 'Decke, Bedeckung'. Die Ausgangsbedeutung von ahd. sceckung wäre wohl etwa 'Deckenartiges', 'mit Decken Versehenes', woraus sich 'Ruhebett' entwickeln konnte. Im Falle eines Ansatzes siohhung m. a-St. läge dagegen eine Sachbezeichnung unmittelbar aus ahd. sioh adj. 'krank, schwach' vor (zur jeweiligen Funktion von -ung vgl. Krahe & Meid, Germ. Sprachw. 3, § 150). Jedoch liegt bei Ableitungen von Adjektiven in der Regel als Bedeutung eine Substantivierung des Adjektivs vor, vgl. etwa ahd. breiting m. a-St. 'Fladen' zu ahd. breit adj. 'weit, flach', also eigentlich 'der flache Gegenstand'; bei siohhung wäre demnach eigentlich 'der kranke Gegenstand' zu erwarten.

Ein Lemmaansatz siohhtrago m. n-St. wäre von der Bedeutung her passend, nämlich als ein Objekt, das Kranke trägt (vgl. ahd. tragabetti als Übersetzung von lat. grabatus). Trotz der Bemerkung von Riecke, Frühgeschichte ma. med. Fachsprache 2, 587: "Die daher vorauszusetzende Verschreibung ist auf der Ebene der Graphien leicht nachvollziehbar", scheint dies eher nicht der Fall zu sein; wie man von -(h)img- zu -trag- kommen soll, bleibt offen.

Da keine der Bildungen fortgesetzt ist, ist eine Entscheidung kaum möglich. Ein Ansatz skeckung scheint aber in Vergleich zu siohhtrago aus graphischen und in Vergleich zu siohhung aus semantischen Gründen wahrscheinlicher.

Montag, 2. November 2020

Online Courses on Indo-European Languages

On the website of the University of Göttingen a bunch of online courses on Indo-European languages (Old Albanian, Classical Armenian, Avestan, Gothic, Ancient Greek, Hittite, Old Irish, Early Latin, Old Lithuanian, Old Church Slavonic, Tocharian, and Early Vedic) has been released. Kudos to the organizers and the lecturers!

Montag, 23. Dezember 2019

Marron Curtis Fort

It is with great sadness that I have learned today that Marron Curtis Fort (born October 24, 1938), expert on Saterland Frisian, has passed away on the 18th of December: Link1; Link2.